Was macht ein*e Community Health Nurse?
Community Health Nurses (CHN) sind akademisch ausgebildete Pflegefachkräfte mit erweiterter Pflegepraxis. Sie arbeiten standortgebunden in unterschiedlichen Gemeinschaften, sei es im urbanen oder ländlichen Raum. Ihr Aufgabenprofil ist flexibel und richtet sich nach den spezifischen Bedürfnissen der jeweiligen Community. Daher kann sich die Arbeit einer CHN in Berlin-Neukölln deutlich von der in Mecklenburg-Vorpommern unterscheiden. Dank ihrer fundierten Ausbildung verfügen CHN über ein vielseitiges Toolkit, das sie für den Einsatz in unterschiedlichsten sozialen Räumen qualifiziert. Grundsätzlich bereitet das Studium sie auf folgende Tätigkeitsbereiche vor:
- Primärversorgung
- Kommunale Gesundheitsförderung
- Public Health / Gesundheitswissenschaften
Aufgaben von CHN in der Primärversorgung
Traditionell übernehmen CHN Aufgaben in der wohnortnahen Primärversorgung ihrer Community – sei es in einem Stadtteil oder einer ländlichen Kommune. Sie sind die erste Anlaufstelle für Patient*innen und die zentralen Ansprechpartner*innen bei gesundheitlichen Fragen.
Darüber hinaus koordinieren CHN Versorgungspfade und Behandlungsschritte. Dieses Aufgabenfeld ist eng an das Modell der integrierten Versorgung geknüpft, in dem Fachkräfte unterschiedlicher Disziplinen, wie Ärzt*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen und Pflegefachkräfte, auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Im Rahmen dieser interprofessionellen Zusammenarbeit übernehmen CHN die Abstimmung notwendiger Behandlungsschritte und gewährleisten eine reibungslose Kommunikation zwischen Versorgenden und Patient*innen.
Das Berufsbild der CHN verfolgt das Ziel, professionell Pflegenden mehr Entscheidungsbefugnisse zu geben und ihre Verantwortung zu erweitern. In Zukunft sollen CHN eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung übernehmen. Da der Beruf hierzulande noch relativ neu ist, klaffen das angestrebte Tätigkeitsprofil und die aktuelle Rechtslage auseinander. Besonders im Bereich der heilkundlichen Aufgaben besteht ein Bedarf an erweiterten Befugnissen (siehe unten).
Versorgerische Kernaufgaben von CHN (Zielbild):
- Stellen die Primärversorgung akut und chronisch Erkrankter sicher: Führen primärmedizinische Routineaufgaben durch, darunter Kontrolluntersuchungen, Check-ups und Screenings, übernehmen Aufgaben der Pflege
- Planen und steuern ganze Versorgungsprozesse: Stellen fest, welche Versorgungsleistungen notwendig sind, verschaffen den Patient*innen Zugang dazu und übernehmen die Koordination mit den Versorgenden
- Stärken die Gesundheitskompetenz: Beraten Patient*innen zu gesundheitsrelevanten Fragen und befähigen sie zum Management von (chronischen) Krankheiten
CHN arbeiten mit den Patient*innen auf Augenhöhe. Sie gestalten den Behandlungsprozess gemeinsam; die Patient*innen sind aktiv beteiligt. Menschen mit komplexen Bedarfen, zum Beispiel mit chronischen oder Mehrfacherkrankungen, Behinderung oder Pflegebedarf, profitieren von der Unterstützung einer CHN besonders.
Aufgaben von CHN in der kommunalen Gesundheitsförderung
Je nach Einsatzort können Community Health Nurses auch Aufgaben aus der kommunalen Gesundheitsförderung übernehmen. Diese zielt darauf ab, die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung auf lokaler Ebene zu verbessern.
Community-zentrierte Aufgaben von CHN:
- Beraten individuell zu Gesundheits- und Präventionsthemen: klären unter Berücksichtigung sozialraumbezogener Faktoren zu Themen der Verhaltens- und Verhältnisprävention auf, führen Impfberatungen durch und unterstützen bei Vorsorgeuntersuchungen
- Bieten kollektive gesundheitsfördernde Maßnahmen an: organisieren Gesundheitskurse, die auf die Bedarfe der Community abgestimmt sind und auch soziale Determinanten berücksichtigen
- Netzwerken: kooperieren mit bereits etablierten örtlichen Versorgenden und bauen neue Gesundheitsnetzwerke auf (z.B. Selbsthilfe- oder Angehörige)
- Unterstützen vulnerable Gruppen vor Ort: führen bei Bedarf Hausbesuche durch
Aufgaben von CHN im Bereich Public Health
CHN können, je nach Einsatzort, auch Aufgaben der Gesundheitsforschung übernehmen. Durch ihre Nähe zur Community sind sie dazu prädestiniert, praxisnahe Erkenntnisse mit wissenschaftlicher Forschung zu verbinden und Evidenz zu schaffen.
Aufgaben in der Gesundheitsforschung von CHN
- Bedarfe erheben und analysieren: Befragungen, Interviews und Gesundheitsstudien in der Bevölkerung durchführen, soziale, wirtschaftliche und umweltbedingte Gesundheitsindikatoren auf kommunaler Ebene erfassen und auswerten, Versorgungslücken und Gesundheitsrisiken identifizieren
- Mitwirken an Forschungsprojekten: Universitäten, Instituten und öffentlichen Einrichtungen bei Studien unterstützen
- Innovative Interventionsprogramme entwickeln und evaluieren: neue Versorgungsmodelle erproben und anhand wissenschaftlicher Methoden bewerten
- Einrichtungen der öffentlichen Gesundheit politisch beraten: an der Entwicklung von Leitlinien und Handlungsempfehlungen mitwirken

Quelle: Pexels / mali maeder
Wo arbeiten Community Health Nurses?
Die Einsatzbereiche von Community Health Nurses sind vielfältig. Typische Arbeitsorte sind:
- Primärversorgungszentren
- Ambulanter Pflegedienst
- Öffentlicher Gesundheitsdienst
- Quartiersmanagement
CHN sind vor allem dort gefragt, wo Gesundheitsförderung dem Settingansatz folgt. Der Settingansatz betrachtet die Gesundheit von Bevölkerungsgruppen als Ergebnis individueller, sozialer und ökologischer Faktoren, die sich wechselseitig beeinflussen.
Warum gilt CHN als Zukunftsberuf?
Der demografische Wandel stellt das Deutsche Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Durch den bevorstehenden Renteneintritt der Babyboomer steht dem Land eine Pensionierungswelle bevor: Fast 20 Millionen Erwerbstätige werden bis 2036 das Rentenalter erreichen (bildungsspiegel.de). Das Ergebnis ist ein Fachkräftemangel, der auch Ärzt*innen und Pflegekräfte betrifft. Während auf der einen Seite Fachkräfte wegbrechen, steigt auf der anderen Seite die Zahl der Älteren und Pflegebedürftigen. Schon heute spricht das Deutsche Pflegewerk von einem akuten Pflegenotstand (pflegenot-deutschland.de). Bis 2036 droht sich die Lage weiter zu verschärfen. Neben Zuwanderung ist die Etablierung von CHN ein Mittel, um demografisch bedingte Versorgungslücken zu schließen und die Gesundheitsversorgung langfristig zu sichern.
Den Pflegeberuf aufwerten
Der Pflegeberuf gilt in Deutschland als unattraktiv. Neben der hohen körperlichen und psychischen Belastung, die der Ausbildungsberuf mit sich bringt, klagen Pflegende über mangelnde Wertschätzung und schlechte Arbeitsbedingungen. Ein Weg, um Pflegeberufe attraktiver zu machen, ist die Akademisierung. Seit Kurzem werden an deutschen Hochschulen pflegebezogene Studiengänge angeboten, darunter Advanced Practice Nursing, Pflegewissenschaft- und Forschung und Community Health Nursing. Für Absolvent*innen bringt ein Studienabschluss folgende Vorteile mit sich:
- Erweiterung des Aufgabenspektrums: Absolvent*innen sind dazu in der Lage, eigenständig Aufgaben der Diagnostik und Versorgungsplanung zu übernehmen. Je nach Studiengang ist eine Spezialisierung in bestimmten Fachbereichen möglich (z.B. Intensivpflege, Onkologie, Gerontologie).
- Mehr Einfluss: Pflegende mit Hochschulabschluss haben mehr Entscheidungsbefugnisse und tragen mehr Verantwortung. Sie können die Pflegepraxis gestalten, Innovationen einbringen und das Gesundheitssystem verbessern. Sie erleben ihre Arbeit als wirksam und können sich besser damit identifizieren.
- Bessere Karrierechancen: Absolvent*innen von Pflegestudiengängen haben einen erweiterten Verantwortungsbereich und sind frei in der klinischen Gestaltung von Gesundheitsversorgung. Darüber hinaus können CHN in der Forschung und Lehre tätig werden oder Führungspositionen einnehmen, z.B. als Pflegedirektor*innen oder in der Krankenhausverwaltung.
- Höhere Gehälter: Pflegende mit Studienabschluss haben bessere Verdienstaussichten.
Versorgungsbedarfe der alternden Gesellschaft abdecken
Die Lebenserwartung in Deutschland steigt; und mit ihr die Zahl der (mehrfach) chronisch Kranken. Schon heute sind fast 70 Prozent der über 65-Jährigen von Multimorbidität betroffen; das sind rund 13 Millionen Menschen (Stand 02/2025). Unser fragmentiertes Versorgungssystem ist auf diese wachsende Patient*innengruppe nicht eingestellt. Multimorbide Patient*innen müssen verschiedene Fachärzt*innen aufsuchen, diverse Termine planen, lange Wartezeiten in Kauf nehmen und bürokratische Hürden überwinden. Fehlende Abstimmung zwischen Versorgenden kann zu widersprüchlichen Therapien oder Medikationsfehlern führen. Zudem sind ambulante Pflegekräfte knapp, während die Finanzierung häuslicher Pflege für viele eine Herausforderung darstellt. Eine Betreuung durch CHN verbessert die Versorgungssituation multimorbider Patient*innen signifikant:
- Steigerung der Versorgungsqualität: Die Zusammenarbeit zwischen CHN und Patient*innen führt zu einer koordinierten und abgestimmten Behandlung. Dank des interprofessionellen Ansatzes werden Patient*innen umfassend und gezielt versorgt. Das Risiko für Fehlbehandlung oder Fehlmedikation sinkt.
- Organisatorische Entlastung: Die CHN plant den Versorgungspfad und übernimmt bei Bedarf die Organisation von Terminen. Brauchen Patient*innen Hilfe beim Beantragen von Leistungen oder Ausfüllen von Formularen, unterstützt die CHN oder leitet Patient*innen an die Sozialberatung weiter.
- Mehr Eigenverantwortung durch Gesundheitswissen:Patient*innen werden ermächtigt, ihre Gesundheit selbstbestimmt zu gestalten. Sie erhalten nicht nur medizinische Versorgung, sondern auch Wissen und Werkzeuge, um informierte Entscheidungen zu treffen. Die Gesundheitskompetenz wird im Rahmen von individuellen Beratungsgesprächen Gruppenangeboten gestärkt.
- Weniger Notfälle und Klinikaufenthalte: Die engmaschige Nachsorge durch telefonische Check-ups und Hausbesuche ermöglicht es, gesundheitliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen und Notfälle zu verhindern. So können Krankenhausaufenthalte vermieden und die Selbstständigkeit der Patient*innen länger erhalten werden.
- Reduzierte Pflegekosten und bessere häusliche Versorgung: CHN erleichtern den Zugang zur häuslichen Pflege und tragen dazu bei, dass Patient:innen so lange wie möglich Zuhause versorgt werden können.
Fachkräftemangel unter Allgemeinmediziner*innen und Pflegenden abfedern
In Deutschland gibt es zu wenig Allgemeinmediziner*innen und Pflegende. Der Fachkräftemangel wird sich im Zuge des demografischen Wandels voraussichtlich noch verstärken. Prognosen zufolge könnten 2025 rund 11.000 hausärztliche Stellen in Deutschland unbesetzt bleiben (Robert-Bosch-Stiftung, 2021). Die Etablierung von CHN kann die Folgen abfedern.
- Mehr Pflegekräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen: Durch die Etablierung des CHN-Berufes wird der Pflegeberuf aufgewertet. So sollen mehr Nachwuchskräfte gewonnen werden, die Zahl Pflegender in Deutschland soll steigen.
- Primärversorgung sicherstellen: CHN übernehmen schon heute Aufgaben in der Primärversorgung. Sie schulen Patient*innen, planen und koordinieren Behandlungen und führen Kontroll- sowie Routineuntersuchungen durch. Ihr volles Potenzial bleibt jedoch noch ungenutzt: Qua Studium sind sie in der Lage, weitere heilkundliche Tätigkeiten zu übernehmen – etwa Überweisungen und Folgerezepte auszustellen oder Impfungen durchzuführen. Doch bisher fehlt ihnen die offizielle Berechtigung, diese Aufgaben in der Praxis auszuführen.
- Versorgungsintensive Notfälle reduzieren: Durch frühzeitige Intervention und engmaschige Nachsorge verhindern CHNs Komplikationen und Notfälle, die sonst ärztliche oder pflegerische Kapazitäten binden würden.
Ist der Beruf CHN gesetzlich anerkannt?
Das Berufsbild CHN stammt ursprünglich aus Nordamerika. In den USA und Kanada praktizieren CHN bereits seit den 1920er Jahren und auch in anderen Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden und Skandinavien ist der Beruf weit verbreitet und anerkannt. In Deutschland ist das Konzept der CHN relativ neu. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) setzt sich seit 2017 für seine Etablierung ein und war maßgeblich an der Entwicklung des CHN-Master-Studienganges beteiligt (dbfk.de). Dieser wird seit 2020 an drei Hochschulen angeboten, darunter an der Evangelischen Hochschule Dresden.
Das CHN-Studium ist in Deutschland bereits etabliert und legt den Grundstein für eine zukunftsweisende Rolle im Gesundheitssystem. Da der Beruf noch neu ist, befindet sich die gesetzliche Anerkennung in der Entwicklung. Zu folgenden Aspekten stehen verbindliche Regelungen noch aus:
- Berufsrechtliche Anerkennung von CHN
- Berechtigung zur Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten, insbesondere in den Bereichen Primärversorgung, Prävention und häusliche Betreuung
- Verankerung der CHN-Rolle in der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen
- Klärung von Zuständigkeiten und Haftungsfragen in Abgrenzung zu anderen Berufen
Obwohl einzelne rechtliche Fragen noch offen stehen, können Absolvent*innen des CHN-Masterstudienganges in Deutschland bereits praktizieren und genießen auf dem Arbeitsmarkt ein hohes Ansehen.
Wo kann ich CHN studieren?
Community Health Nursing ist ein Masterstudiengang, der an folgenden Hochschulen und Universitäten angeboten wird (Stand 02/2025):
- Katholischen Stiftungshochschule München (Angebot pausiert)
- Evangelische Hochschule Dresden
- HAW Hamburg (im Rahmen des Advanced-Practice-Nursing-Studienganges)
- Ernst-Abbe-Hochschule Jena (im Rahmen des Pflegewissenschaft- / Pflegemanagement-Studiums)
- APOLLON Hochschule (Fernstudium)
- Hochschule Hannover (ab WS 2026/2027)
- Universität Witten/Herdecke (Angebot pausiert)